Plattenkondensator
Kondensator bei hohen Frequenzen
Betrachtet man einen idealen Kondensator, so handelt es sich hierbei zunächst um ein passives und verlustloses 1-Torelement. Aus Sicht der Netzwerktheorie wird der Kondensator in der Regel mit Hilfe eines Ersatzschaltbildes beschrieben, das lediglich aus einer Kapazität besteht. Dabei ist zu beachten, dass diese Art der Beschreibung des Kondensatorverhaltens nur für geringe Frequenzen gültig ist.
Steigt die Frequenz, verliert dieses Ersatzschaltbild mehr und mehr an Gültigkeit. Um den Kondensator weiterhin mit Hilfe des Ersatzschaltbildes beschreiben zu können, muss dieses entsprechend angepasst und erweitert werden. Die Animationen visualisieren zum einen die Felder zwischen den Platten des Kondensators bei Wechselspannung und zum anderen wird der Einfluss der Feldänderungen anhand der Eingangsimpedanz untersucht.
1. ) Quasistatisches Verhalten eines Kondensators bei Wechselspannung
Ausgangspunkt der folgenden Betrachtung ist ein Kondensator mit Plattenabstand \(h\) und Plattenradius \(r\), welcher mit einem Strom \(\underline{I}\) angeregt wird. Für den Fall einer Gleichspannung wird der Kondensator aufgeladen, sodass ein zeitlich konstantes, homogenes \(\mathbf{\underline{E}}\)-Feld zwischen den Platten entsteht.
Erhöht man nun die Frequenz, ergibt sich für das \(\mathbf{\underline{E}}\)-Feld das in der Animation gezeigte Verhalten. Innerhalb der quasistatischen Grenze ist das elektrische Feld zwischen den Platten weiterhin homogen, jedoch nicht mehr zeitlich konstant, da es mit der Frequenz des Eingangsstromes oszilliert.
Betrachtet man nun das Durchflutungsgesetz mit \(\mathbf{J}=\mathbf{0}\)\[\text{rot}(\mathbf{\underline{H}})=\text{j}\omega\varepsilon\mathbf{\underline{E}}\,,\tag{1}\] lässt sich direkt erkennen, dass die Oszillation des elektrischen Feldes ein magnetisches Feld erzeugt. Auf Grund der Tatsache, dass das \(\mathbf{\underline{E}}\)-Feld lediglich eine \(z\)-Komponente aufweist, reduziert sich die Rotation wie folgt: \[\dfrac{1}{\rho}\cdot\dfrac{\text{d}(\rho \underline{H}_1)}{\text{d}\rho}=\text{j}\omega\varepsilon \underline{E}_0~~~\Rightarrow~~~\rho\cdot \underline{H}_1=\text{j}\omega\varepsilon \underline{E}_0\cdot\dfrac{\rho^2}{2}+\underline{C}\,.\tag{2}\] Für \(\rho=0\) resultiert aus (2) zunächst \(\underline{C}=0\) und somit ergibt sich abschließend folgender Ausdruck für das \(\mathbf{\underline{H}}\)-Feld:\[\mathbf{\underline{H}}=\text{j}\omega\varepsilon \underline{E}_0 \cdot\dfrac{\rho}{2}\cdot\mathbf{e_\phi}=\text{j}\dfrac{\underline{E}_0}{Z_0} \cdot\dfrac{k\rho}{2}\cdot\mathbf{e_\phi}\,.\tag{3}\]
Wie in der Animation des \(\mathbf{\underline{H}}\)-Feldes zu sehen ist, oszilliert auch das magnetische Feld mit der Frequenz des Eingangsstromes und auf Grund der Tatsache, dass elektrische und magnetische Feldstärke zeitgleich im System auftreten resultiert mit \(\mathbf{\underline{S}}=\frac{1}{2}\mathbf{\underline{E}}\times\mathbf{\underline{H}}^*\), wie dargestellt, ebenfalls ein oszillierender Leistungsfluss in den Kondensator hinein bzw. aus dem Kondensator heraus.
Auf Grund der Tatsache, dass nun ebenfalls ein magnetisches Feld innerhalb des Plattenkondensators existiert, speichert der Kondensator neben elektrischer Energie auch magnetische Energie, wobei der Anteil an gespeicherter magnetischer Energie mit steigender Frequenz zunimmt.
Berücksichtigt man diese Tatsache, so weist die Eingangsimpedanz des Plattenkondensators neben dem kapazitivem Anteil einen zunehmend induktiven Anteil auf.
Um nun die Eingangsimpedanz unter Einbeziehung der im magnetischen Feld gespeicherten Energie zu berechnen, wird zunächst allgemein von dem in (4) gezeigten Poynting-Theorem des verlustlosen Systems ausgegangen. \[\dfrac{1}{2}|\underline{I}|^2\underline{Z}=-\dfrac{1}{2}\iint\limits_{\partial V}\mathbf{\underline{E}}\times\mathbf{\underline{H}}^*~\text{d}\mathbf{A}=\text{j}2\omega(\overline{W}_\text{m}-\overline{W}_\text{e})~~~\Rightarrow~~~\underline{Z}=\dfrac{\text{j}4\omega(\overline{W}_\text{m}-\overline{W}_\text{e})}{|\underline{I}|^2}\tag{4}\] Für den Strom folgt zunächst aus dem gaußschen Gesetz \[\underline{I}=-\text{j}\omega Q=-\text{j}\omega\varepsilon_0\iint\limits_{\partial V}\mathbf{\underline{E}}_0~\text{d}\mathbf{A}=\text{j}\omega\varepsilon_0\underline{E}_0\int\limits_{0}^r\int\limits_{0}^{2\pi}\rho~\text{d}\rho\text{d}\phi=\text{j}\omega\varepsilon_0\underline{E}_0\pi r^2\,,\tag{5}\] sodass sich mit Hilfe der mittleren Feldenergien \[\overline{W}_\text{m}=\dfrac{\mu_0}{4}\iiint\limits_V|\mathbf{\underline{H}}|^2~\text{d}V=\dfrac{\omega^2\mu_0\varepsilon_0^2\underline{E}_0^2}{16}\iiint\limits_V \rho^3~\text{d}\rho\text{d}\phi\text{d}z=\dfrac{\omega^2\mu_0\varepsilon_0^2\underline{E}_0^2\pi hr^4}{32}\tag{6}\] \[\overline{W}_\text{e}=\dfrac{\varepsilon_0}{4}\iiint\limits_V|\mathbf{\underline{E}}|^2~\text{d}V=\dfrac{\varepsilon_0\underline{E}_0^2}{4}\iiint\limits_V \rho~\text{d}\rho\text{d}\phi\text{d}z=\dfrac{\varepsilon_0\underline{E}_0^2\pi hr^2}{4}\tag{7}\] folgender Ausdruck für die Eingangsimpedanz des Plattenkondensators ergibt \[\underline{Z}=\text{j}\omega\dfrac{\mu_0h}{8\pi}+\dfrac{h}{\text{j}\omega\varepsilon_0\pi r^2}=\text{j}\omega L_1+\dfrac{1}{\text{j}\omega C_0}\,.\tag{8}\]
Wenn man die obere Darstellung der Eingangsimpedanz des Plattenkondensators betrachtet, wird der Einfluss des zuvor erwähnten induktiven Anteils erkennbar. Bei niedrigen Frequenzen kann der induktive Anteil vernachlässigt werden und die beiden Kurvenverläufe stimmen sehr gut überein.
Mit steigender Frequenz nimmt der Einfluss des induktiven Anteils zu und die Kurvenverläufe unterscheiden sich zunehmend. Wenn die Frequenz so hoch ist, dass der induktive und der kapazitive Anteil gleich groß sind, befindet sich das System in Resonanz und die Impedanz erreicht ihr Minimum.
Es ist ebenfalls zu erkennen, dass sich der Kondensator für Frequenzen oberhalb der Resonanzfrequenz, auf Grund der streng monoton wachsenden Eingangsimpedanz, wie eine Spule verhält. Dieser Umstand spielt bei der Konzeption elektrischer Schaltungen eine wesentliche Rolle, da die Bauelementeeigenschaften, wie gezeigt, frequenzabhängig sind.
2. ) Kondensator bei hohen Frequenzen
Ausgangspunkt der quasistatischen Analyse war die Tatsache, dass das zeitlich veränderliche elektrische Feld im Plattenkondensator auf Grund des Durchflutungsgesetzes ein Magnetfeld hervorruft. Der Einfluss dieses Magnetfeldes steigt mit steigender Frequenz und ruft auf Grund des Induktionsgesetzes wiederum ein elektrisches Feld hervor, welches sich mit dem ursprünglichen Feld \(\mathbf{\underline{E}}_0=\underline{E}_0\cdot\mathbf{e}_z\) überlagert.
Ausgehend vom Induktionsgesetz \[\text{rot}\left(\mathbf{\underline{E}}\right)=-\text{j}\omega\mu_0\mathbf{\underline{H}}\,,\tag{9}\] kann analog zum Vorgehen in der quasistatischen Analyse eine Korrektur des elektrischen Feldes ermittelt werden.
Es folgt zunächst \[\dfrac{\text{d}\underline{E}_{2}}{\text{d}\rho}=\text{j}\omega\mu_0\underline{H}_{1}~~~\Rightarrow~~~\underline{E}_2=\text{j}\omega\mu_0\cdot\dfrac{\text{j}\omega\varepsilon_0\underline{E}_0}{2}\cdot\int\rho~\text{d}\rho=-\dfrac{k^2\underline{E}_0}{2}\cdot\left(\dfrac{\rho^2}{2}+\underline{C}\right)\tag{10}\] und für das korrigierte \(\mathbf{\underline{E}}\)-Feld ergibt sich \[\mathbf{\underline{E}}=\underline{E}_0\cdot\left(1-\left(\dfrac{k\rho}{2}\right)^2+\underline{C}\right)\cdot\mathbf{e}_z\,.\tag{11}\] Um nun die fehlende Unbekannte zu bestimmen, muss analog auf eine entsprechende Randbedingung für das \(\mathbf{\underline{E}}\)-Feld zurückgegriffen werden \[\mathbf{\underline{E}}(\rho=0)\overset{!}{=}\underline{E}_0\cdot\mathbf{e}_z~~~\Rightarrow~~~\underline{C}=0~~~\Rightarrow~~~\mathbf{\underline{E}}=\underline{E}_0\cdot\left(1-\left(\dfrac{k\rho}{2}\right)^2\right)\cdot\mathbf{e}_z\,.\tag{12}\] Die soeben berechnete Korrektur des elektrischen Feldes ruft wiederum selbst eine Korrektur des magnetischen Feldes hervor und führt man diese abwechselnde Korrekturrechnung fort, ergeben sich die folgenden Reihendarstellungen des elektrischen und magnetischen Feldes im Plattenkondensator \[\mathbf{\underline{E}}=\underline{E}_0\cdot\sum\limits_{n=0}^\infty\dfrac{(-1)^n}{(n!)^2}\cdot\left(\dfrac{k\rho}{2}\right)^{2n}\cdot\mathbf{e}_z=J_0(k\rho)\cdot \underline{E}_0\cdot\mathbf{e}_z\,,\tag{13}\] \[\mathbf{\underline{H}}=\dfrac{\text{j}\underline{E}_0}{Z_0}\cdot\sum\limits_{n=0}^\infty\dfrac{(-1)^n}{n!\cdot(n+1)!}\cdot\left(\dfrac{k\rho}{2}\right)^{2n+1}\cdot\mathbf{e}_\phi=J_1(k\rho)\cdot \dfrac{\text{j}\underline{E}_0}{Z_0}\cdot\mathbf{e}_\phi\,.\tag{14}\]
Es ist nicht verwunderlich, dass das elektrische und magnetische Feld im Plattenkondensator durch Besselfunktionen erster Art und nullter bzw. erster Ordnung beschrieben werden, da es sich bei den Besselfunktionen um elementare Lösungsfunktionen im Zylinderkoordinatensystem handelt.
Die dargestellten Animationen zeigen das elektrische und magnetische Feld im Plattenkondensator in Abhängigkeit von \(kr\). Es ist zu erkennen, dass für \(kr\ll 1\) die Grenzen der Quasistatik eingehalten werden. Erhöht man die Frequenz steigt auch \(kr\) und die quasistatische Annahme wird mehr und mehr verletzt. Bei Betrachtung der Feldanimationen zeigt sich, dass die Felder nun ein deutlich anderes Verhalten aufweisen. Diese Tatsache ist darauf zurückzuführen, dass die elektrische Länge der Platten so kurz ist, dass eine Wellenausbreitung in radialer Richtung möglich ist.
Die soeben angesprochene Korrektur der Felder hat selbstverständlich einen signifikanten Einfluss auf die Impedanz des Plattenkondensators. Um den korrigierten Verlauf der Eingangsimpedanz in Abhängigkeit von der Frequenz zu ermitteln, könnte die Impedanz mit dem bereits erläuterten Vorgehen berechnet werden.
Betrachtet man allerdings (6) und (7) ist zu erkennen, dass nun über den Betrag der Besselfunktionen zum Quadrat zu integrieren wäre. Diese Integration ist nicht trivial und um eine geschlossene analytische Lösung zu erhalten, wird das in (4) gezeigte Oberflächenintegral über \(\mathbf{\underline{E}}\times\mathbf{\underline{H}}^*\) direkt ausgewertet.
\[\begin{aligned}-\dfrac{1}{2}\cdot\iint\limits_{\partial V}\mathbf{\underline{E}}\times\mathbf{\underline{H}}^*~\text{d}\mathbf{A}&=-\dfrac{1}{2}\cdot\iint\limits_{\partial V}\underline{E}\cdot \underline{H}^*~\underbrace{\mathbf{e}_z\times\mathbf{e_\phi}}_{-\mathbf{e}_r}~\text{d}A_r\cdot\mathbf{e}_r=-\text{j}\dfrac{J_0(kr)J_1(kr)r|\underline{E}_0|^2}{2Z_0}\cdot\int\limits_{0}^{2\pi}\int\limits_{0}^h~\text{d}\phi\text{d}z\\&=-\text{j}\dfrac{J_0(kr)J_1(kr)2\pi r h |\underline{E}_0|^2}{2Z_0}\end{aligned}\tag{15}\]
Analog zu (5) wird nun der Strom berechnet, wobei an dieser Stelle über die Besselfunktion erster Art und nullter Ordnung zu integrieren ist.
Mit Hilfe von \[\int x\cdot J_0(ax)~\text{d}x=\dfrac{x\cdot J_1(ax)}{a}\tag{16}\]
ergibt sich folgender Ausdruck für den Strom \(\underline{I}\)
\[\underline{I}=\text{j}\omega\varepsilon_0\underline{E}_0\int\limits_0^r\int\limits_0^{2\pi}\rho J_0(k\rho)~\text{d}\rho\text{d}\phi=\text{j}\dfrac{2\pi\omega\varepsilon_0\underline{E}_0rJ_1(kr)}{k}\,,\tag{17}\]
sodass abschließend folgender Ausdruck für die Eingangsimpedanz des Plattenkondensators resultiert
\[\underline{Z}=-\dfrac{1}{|\underline{I}|^2}\cdot\iint\limits_{\partial V}\mathbf{\underline{E}}\times\mathbf{\underline{H}}^*~\text{d}\mathbf{A}=-\text{j}\underbrace{\dfrac{k^2}{Z_0\omega^2\varepsilon_0^2}}_{Z_0}\cdot\dfrac{hJ_0(kr)}{2\pi rJ_1(kr)}\,.\tag{18}\]
Es lässt sich erkennen, dass die Eingangsimpedanz des Plattenkondensators durch ein Aufeinanderfolgen von Reihen- und Parallelresonanzen gekennzeichnet ist. Zwischen diesen Resonanzstellen ist der Betrag der Impedanz entweder streng monoton fallend(Kondensator) oder streng monoton wachsend(Spule).
Vergleicht man die Impedanz aus der Reihendarstellung mit der in Kapitel 1.) berechneten Impedanz, lässt sich erkennen, dass die erste Reihenresonanz nicht übereinstimmt. Dies liegt daran, dass bei der in Kapitel 1.) berechneten Impedanz lediglich eine Feldkorrektur berücksichtigt wurde. Diese bildet das exakte Feldverhalten zwischen den Platten des Kondensator nur näherungsweise ab. Die iterative Korrektur der Feldgrößen führt dazu, dass auch die Größen \(C_0\) und \(L_1\) weiter korrigiert werden, was die Abweichung in der Resonanzfrequenz begründet.
4. ) Literatur
[1] | Feynman, Richard Phillips ; Leighton, Robert B. ; Sands, Matthew Linzee: Feynman-Vorlesungen über Physik - Band II: Elektromagnetismus und Struktur der Materie, Oldenburg, 1991. - ISBN 978-3-486-22058-2 |
[2] | Leone, Marco: Theoretische Elektrotechnik - Elektromagnetische Feldtheorie für Ingenieure, Berlin Heidelberg New York : Springer Verlag, 2020. - ISBN 978-3-658-29207-2 |